Sonntag, 9. Dezember 2012

Fremd und doch vertraut – Hiroshi Sugimotos Revolution


Hiroshi Sugimoto, Revolution 001, 1990, N. Atlantischer Ozean, 
Neufundland, Silbergelatineabzug, 239 x 119.5 cm
Kennt ihr die Aufnahmen von Meerlandschaften, in die man eintauchen und am liebsten nie wieder auftauchen möchte? Der Japaner Hiroshi Sugimoto macht seit Jahrzehnten solche Bilder. Mit seiner analogen Kamera aus den 1970er Jahren harrt er manchmal viele Stunden am Meer aus, um per Langzeitbelichtung das einzufangen, was uns daran so fasziniert – Weite und Unendlichkeit. Diese Aufnahmen haben ihn berühmt gemacht. Jetzt präsentiert uns der 66-Jährige im Münchner Museum Brandhorst eine andere Meerlandschaft. Eine dunkle, mystische, aber nicht minder spannende. 

Revolution hat er die Ausstellung genannt. Irgendwie ist es eine, keine gesellschaftliche dafür eine ganz persönliche. Die Arbeiten wurden im Hochformat gehängt und drängen einem so einen anderen Blickwinkel auf. Nichts ist, wie es zu sein hat. Beim Betrachten neigt man immer wieder den Kopf nach links oder rechts, um sich die Realität zurückzuholen, um zu begreifen. Das ist wohl im Sinne des Japaners, der zwischen New York und Tokio pendelt und uns hier teilhaben lässt an seinem west-östlichen Dialog, an einer anderen Sicht auf Vertrautes.

Sugimoto überlässt nichts dem Zufall und seine Inszenierung im Museum Brandhorst ist geglückt. Die Ausstellung wirkt mystisch, und obwohl sie eine enorme Ruhe ausstrahlt, macht sie unruhig. Woran das liegt? An dem ungewohnten Blickwinkel? An dem Verstehen wollen? Das könnt ihr ja bei einem Besuch selbst herausfinden. Es lohnt sich! Zur Beruhigung: Am Ende verabschiedet sich Sugimoto mit zwei Querformaten. Da stimmt der Horizont und die Realität hat uns wieder.

Hiroshi Sugimoto. Revolution noch bis 10. Februar 2013 im Museum Brandhorst.

Bildnachweis/Photocredit: Copyright 2012 Hiroshi Sugimoto

Sonntag, 16. September 2012

Popeye, Hummer, Hulk & Co. zu Gast in Frankfurt, Teil 2

Jeff Koons, Popeye Train (Crab), 2008, Popeye, Öl auf Leinwand, 274,3 x 213,4 cm

Spontan erwachen Kindheitserinnerungen: Popeye ist ein toller Typ, ein echter Held und natürlich – Spinat ist gesund (die allerdings gehört eher zu den unangenehmen). Überlebensgroß, das Gemälde misst immerhin rund 2,70 Meter in der Höhe und ist über 2 Meter breit, baut sich hier in der Ausstellung der Frankfurter Schirn ein Relikt aus Kindheitstagen vor einem auf. Der Macher selbst, Jeff Koons (57), hat die Comicfigur vor einigen Jahren im Zimmer seines Sohnes entdeckt und zum Motiv auserkoren, wie er im Interview in der September-Ausgabe der Vogue erzählt. Aber das ist nur der erste Eindruck.Bei genauerem Hinsehen erkennt man sehr viel mehr, zum Beispiel ein Panzer-Tatoo auf dem muskelbepackten Oberarm. Und plötzlich verliert der Kerl seine Leichtigkeit, die Kindheitserinnerungen verflüchtigen sich. Da nützt es auch nichts, dass Popeye vor verschiedenen, farbenfrohen Bildebenen zu schweben scheint, die geballte Faust signalisiert etwas anderes. Ein Wechselbad der Gefühle, das sich nicht nur bei „Popeye“ auftut, sondern auch bei anderen Arbeiten. Dazu muss man gar nicht viel über Jeff Koons wissen, sondern sich einfach nur Zeit nehmen, die Wahnsinns-Farbwelten beiseiteschieben und hinsehen. Er lässt uns staunen über seine frühen Arbeiten Luxury & Degradationschmunzeln bei der Serie „Made in Heaven“, die nur Volljährige besuchen dürfen, und überrascht uns mit seinen neuen Werken der Reihe Antiquity. Alles ganz im Sinne des Künstlers, der sich wünscht, dass wir ... uns von unseren Ideen und Gefühlen tragen lassen ... (Interview Vogue, September 2012). Jeff Koons hat viele Facetten und selten waren sie so umfassend an einem Ort zu sehen wie derzeit in der Frankfurter Schirn. Jeff Koons. The Painter läuft noch bis 23. September. Also sputet euch!Bildnachweis/Photocredit: Privatsammlung, Courtesy Gagosian Gallery, Copyright Jeff Koons, Foto: Rob McKeever

Dienstag, 4. September 2012

Hummer, Popeye, Hulk & Co. zu Gast in Frankfurt, Teil 1


Was da so lässig von der Decke hängt und aussieht als warte es auf den nächsten Badeausflug, hat ganz schön für Furore gesorgt. Denn erstens sind die „niedlichen Tierchen“ aus Metall und wiegen in Wirklichkeit mehr als eine halbe Tonne, zweitens stammen sie von dem amerikanischen Künstler Jeff Koons und drittens gehören sie zu einer Ausstellung im Frankfurter Liebieghaus. In dem romantischen Skulpturenmuseum am Mainufer erlebt der Besucher normalerweise altägyptische Werke, Buddhastatuen sowie christliche Holz- und Marmorarbeiten, die eine Zeitspanne von 5000 Jahren umfassen. Jetzt befinden sich dazwischen herrlich glänzende, teilweise überdimensionierte Koons-Skulpturen in Knallfarben. 

Ein Kontrastprogramm der Extraklasse, das die einen begeistert und die anderen entsetzt. Eigentlich der passende Rahmen für einen wie Jeff Koons, der polarisiert wie kaum ein anderer und dem es laut eigenen Aussagen „vor allen Dingen um den Betrachter geht“. Seine Fans wissen genau das zu schätzen. Sie lieben seine Perfektion, seine Modernität, seine Vielfalt und seine Farben. Sammler zahlen bis zu zweistellige Millionenbeträge dafür. Kritiker hingegen sehen darin nichts anderes als teuren Ramsch, dessen Wert gerade mal den Zeitgeist überdauert und nicht nachhaltig ist – aber, wer kann das schon mit Sicherheit behaupten? Schließlich hielt man seine Arbeiten bereits vor über 30 Jahren für nicht zukunftsfähig, als er erstmals Staubsauger unter Plexiglas als Kunst zur Schau stellte (ein Exemplar ist übrigens auch im Liebieghaus zu sehen). Die Welt braucht ein bisschen mehr Koons, ein bisschen mehr Mut zum Anderen. Das Liebieghaus hat sich getraut und die Ausstellung „Jeff Koons. The Sculptor“ ist ein „must see!“. Noch bis zum 23. September.

Bildnachweis/Photocredit: Ausstellungsansicht, Liebieghaus Skulpturensammlung, Foto: Norbert Miguletz

Sonntag, 29. Juli 2012

Was ist „This Variation“? Wer ist Tino Sehgal?


Unscheinbar und versteckt im Hinterhof
– der Eingang zu This Variation
Könnt ihr euch noch an das Gefühl erinnern, das einen überkam, wenn man als Kind im Dunkeln einschlafen sollte? Schon fast vergessen, oder? Bei Tino Sehgals documenta-Beitrag ist es für einen Moment wieder da. Es ist der Augenblick, in dem nach kurzem Zögern die Neugierde die Angst vor der Dunkelheit überwindet. Dann traut man sich und tastet sich ganz vorsichtig hinein in die absolute Finsternis. Quietschende Turnschuhe, rhythmisches Klatschen, Fingerschnippen, Sprechgesang, der mal ganz laut ist, mal eher ein Murmeln, empfängt die Mutigen und wer drin bleibt, wird belohnt. Nach einiger Zeit gewöhnen sich die Augen an die Dunkelheit und zu sehen sind gut ein Dutzend Tänzer, die sich gemeinsam im Beat bewegen, tanzen und singen. Und plötzlich stellt sich ein Wohlgefühl ein – wie damals als die Mutter draußen im Flur das Licht anknipste.

Der Mann, der uns diese Erfahrung auf der documenta 13 beschert, heißt Tino Sehgal und sein Kunstwerk „This Variation“. In der Kunstwelt ist der in Berlin lebende Sohn eines Inders und einer Deutschen längst kein Unbekannter mehr. Bereits 2005 hat er
während der Biennale in Venedig den deutschen Pavillon mit „This is so contemporary!“ bespielt. In mein Bewusstsein kam der 36-Jährige erst 2010 durch seine Einzelausstellung „This Progress“ im New Yorker Guggenheim. Die habe ich eher zufällig besucht. In Kassel war es absichtlich. Man muss „This Variation“ richtig suchen und Erläuterungen dazu finden sich auch nicht im documenta-Katalog (die Seiten 438 und 439 fehlen einfach). Das gehört zum Konzept: Keine Dokumentationen, keine Plakate, keine Materialien – nur Menschen, die Situationen konstruieren und damit Erlebnisse, Erfahrungen und Erinnerungen bei den Besuchern auslösen. Das muss man erst einmal hinkriegen. Wen wundert es da noch, dass die Rechte an seinen Arbeiten zu Preisen im fünfstelligen Bereich verkauft werden und er von keiner geringeren als der Galeristin Marian Goodman, die auch Richter, Struth und Schütte im Programm hat, vertreten wird. 
Mein Fazit: Wer sich Tino Sehgal in Kassel entgehen lässt, hat etwas verpasst. Sein neuestes Werk These Associations ist seit Dienstag in der Turbine Hall der Londoner Tate Modern zu sehen. Hinfahren, mitmachen und erfahren! 

Kassel: This Variation, documenta 13, links im Hinterhof des Hugenottenhauses, bis 16. 9.
London: These AssociationsTurbine Hall, Tate Modern, bis 28. 10. (der Eintritt ist frei!)


Bildnachweis/Photocredit: Jutta Kautny

Montag, 16. Juli 2012

Auf nach Kassel!

Gleich vorweg – die documenta 13 macht Spaß. Woran das liegt? Vielleicht an dem breiten Spektrum, an der Weitläufigkeit (noch nie hatten Künstler so viel Platz wie dieses Mal), an den Installationen und Arbeiten, die zum Mitmachen, Nachdenken und Umdenken anregen, an den bekannten und neuen Austragungsorten (insgesamt mehr als 30), am Rahmenprogramm, am Kulturzelt oder der temporären Terrassen-Bar Base 13 am Ende des Kulturbahnhofs (mein Pausen-Tipp). Nicht alles spricht jeden an, aber für jeden ist etwas dabei (über mein persönliches Highlight zu einem späteren Zeitpunkt mehr). Klar gibt es auch kritische Stimmen: Da ist zum Beispiel von einem entgrenzten Kunstbegriff die Rede, von zu wenig Malerei und Fotografie sowie von organisatorischen Schwachstellen. Lässt man die einfach außen vor, kann man Kassel eine Menge abgewinnen. Am besten ihr setzt euch in Bewegung, nehmt euch mindestens zwei Tage lang Zeit und macht euch selbst ein Bild. Bis zum 16.9. habt ihr noch die Chance, danach müsst ihr euch fünf Jahre gedulden. Also auf nach Kassel!

Impressionen aus Kassel








Bildnachweise/Fotocredits: A. & F. Handgrödinger, Jutta Kautny

Mittwoch, 4. Juli 2012

Le Corbusier alias Charles-Edouard Jeanneret-Gris


Weniger bekannt – der Künstler Le Corbusier
Wer denkt schon bei Charles-Edouard Jeanneret-Gris an Le Corbusier und bei Le Corbusier an Malerei oder gar Poesie? Dabei war der Mann, den die meisten nur unter seinem Pseudonym kennen, ein Genie mit vielen Talenten. Fast jeder von uns ist schon einmal auf einem dieser klassischen Freischwinger gesessen und so manch einer hat über das Hochhaus der United Nations in New York gestaunt. Beides trägt seine Handschrift. Architektur und Möbeldesign, offensichtlich ohne Verfallsdatum, haben ihn, den gebürtigen Schweizer und Wahlfranzosen, international berühmt gemacht.

Und was ist mit dem Künstler Le Corbusier? Natürlich sind Architektur und Design auch Kunst, kein Missverständnis, hier soll jedoch von bildender Kunst die Rede sein. Während Architektur und Möbel von Le Corbusier bereits in den 1930er Jahren für Furore sorgten, schenkte man den Gemälden kaum Beachtung. Dabei hätten sie es verdient. Das dachten sich wohl auch die Verantwortlichen des Architekturmuseums der TU München und holten den gesamten Zyklus „Le poème de l'angle droit“ (Das Gedicht vom rechten Winkel) nach München in die Pinakothek der Moderne. Gezeigt werden unter anderem eine Reihe von Lithografien, die den Inhalt eines langen handgeschriebenen Textes optisch unterstreichen. Entstanden sind sie von 1947 bis 1953 und werden als künstlerische Umsetzung seines Weltbildes verstanden.

Großformatige sowie kleinere Gemälde, Lithografien, Skizzen gehängt auf knallblauen und orangefarbenen Wänden – eine Ausstellung, die Spaß macht und an der auch nicht Architekturfans gefallen finden. Zu sehen noch bis 2. September.


Bildnachweis/Photocredit:
G.3 Outil, Le poème de l`angle droit, 1955, S. 151 © FLC/VG Bild-Kunst, Bonn 2012

Freitag, 8. Juni 2012

Typisch Yoko Ono!

Yoko Ono – selbstbewusst und immer für Überraschungen gut
Ob es ihre Idee war oder die der Werbeagentur TBWA Stockholm, die den Auftrag hatte ihre Ausstellung Grapefruit im Museum of Modern Art in Stockholm zu bewerben, ist nicht genau bekannt. Entscheidend für beide, dass sie funktioniert. Die Story, um die es geht, ist schnell erzählt: Gemeinsam mit der Agentur hat die japanisch-amerikanische Konzeptkünstlerin eine ganzseitige Anzeige mit einem für sie typischen Text entworfen. Auf weißem Hintergrund, klein und mittig platziert, steht da geschriebenFeel the newspaper in your hands. Hear the whisper of the morning. Think of someone you love. See you at the exhibition. Yoko. Ein echtes ad piece à la Yoko Ono. Und damit es im wahrsten Sinne des Wortes ein echter Ono wird, hat sie in einer geheimen nächtlichen Aktion fünf Exemplare der frisch gedruckten Anzeige handsigniert. Wer zum glücklichen Besitzer wurde, entschied das Zufallsprinzip beim Verkauf am Kiosk irgendwo in Schweden. Denn die Leser hatten keine Ahnung. Der finanzielle Wert hält sich vermutlich in Grenzen, dafür ist der emotionale umso größer – vor allem für Fans der 79-Jährigen, aber die hätten die Ausstellung wahrscheinlich sowieso besucht. Und alle anderen? Die wissen vermutlich gar nicht, dass sie gerade ein Original entsorgt haben. Schade drum! 

Bis 16. 9. kann man im Stockholmer Museum of Modern Art in der Grapefruit-Ausstellung neben experimentellen Filmen und frühen Werken der Künstlerin auch eine Auswahl der instruction pieces", die den Betrachter mit Anweisungen wie Hör nicht auf! oder Sag ihm, dass Du ihn liebst! zum Handeln auffordern, erleben.

Bildnachweis/Photocredit:
Synaesthete, 2009


Donnerstag, 17. Mai 2012

Mode-Kunst: Elsa Schiaparelli und Muccia Prada in unmöglichen Gesprächen

Mode-Welten zeigt die Aus-
stellung: Impossible Conversations 
Das New Yorker Metropolitan Museum of Art feierte im letzten Jahr einen seiner größten Ausstellungserfolge. Nein, es war nicht die Kunst eines Malers oder Bildhauers, die eine halbe Million Menschen anzog, sondern die Retrospektive eines Modegottes – Alexander McQueen. Das hat die Macher motiviert und sie haben erneut eine Fashion Show auf die Beine gestellt. Dieses Mal sind es zwei Modegöttinnen, die im Mittelpunkt der vor kurzem eröffneten Ausstellung stehen: Elsa Schiaparelli und Muccia Prada. 

Beide sind sich nie begegnet, beide lebten in einer anderen Zeit, und dennoch, hier im ersten Stock des Metropolitan treten sie in Dialog, optisch wie verbal. Für die Ausstellung wurden acht kurze Videos gedreht, welche die eher forsche Schiaparelli (gespielt von der Schauspielerin Judy Davis) und die teilweise schüchtern anmutende Prada in Gesprächen an einer elegant gedeckten Tafel zeigen. Ihre Themen: das Leben, die Liebe, der Erfolg, die Mode, die Kunst ... Kleine Filmchen, großartig inszeniert, aber wohl eher als Untermalung für den großen Auftritt der Mode gedacht. Die präsentiert sich in einer Welt aus Lichtreflexen, wechselnden Videostreams und Spiegeln, in denen die Kleider der beiden Designerinnen gegenübertreten. Gezeigt werden etwa 100 Roben und 40 Accessoires von Schiaparelli aus den späten 1920ern bis Anfang der 1950er und von Prada Ende der 1980er Jahre bis heute. 

Ist Mode Kunst? Ja, sagt Schiaparelli. Auf keinen Fall, entgegnet Prada. Während die eine beflügelt war von den Arbeiten Salvador Dalís und Jean Cocteaus, ist die andere eine große Kunstsammlerin und besitzt ein Museum in Mailand. Betrachtet man Schiaparellis berühmtes Hummerkleid oder Pradas Kreationen, dekoriert mit bunten Glassteinen, Blättern aus Leder oder metallisch schimmernder Gaze, stellt sich die Frage nicht, kunstvoll sind sie allemal und verkäuflich ebenfalls. Pradas Umsätze in Milliardenhöhe sprechen für sich, und auch Schiaparelli kehrt nach 60 Jahren zurück. Die ersten Kollektionsteile im Stil von Elsa sind für März 2013 angekündigt. Zufall oder Kalkül? Eigentlich egal, denn wenn es eine Ausstellung schafft, eine grande dame der Modewelt wieder auferstehen zu lassen, ist doch schon mal viel erreicht. Und wenn die Besucher des Metropolitan auf ihrem Weg in den ersten Stock sich vielleicht noch kurz Zeit nehmen, um einen Blick auf die griechischen Statuen zu werfen, auch. Ein Dank an die Mode und an die Macher der Ausstellung: Schiaparelli and Prada: Impossible Conversations zu sehen noch bis 19. August 2012.

Bildnachweis/Photocredits:
Mitte: Wallis Simpson in Elsa Schiaparelli, Vogue, June 1, 1937 Courtesy of The Metropolitan Museum of Art, Photograph by Cecil Beaton, Cecil Beaton Studio Archive at Sotheby's
Oben/unten: Jutta Kautny

Dienstag, 17. April 2012

Kunstvoller Zeitvertreib





Ein verregneter Sonntag? Keine Lust aus dem Haus zu gehen? Dann habe ich einen Tipp für euch: ein Museumsbesuch, vielleicht auch zwei oder drei, und zwar trockenen Fußes vom Sofa aus. Wie wär's mit einem Abstecher nach Paris ins Musée d'Orsay – kennt ihr schon? Dann vielleicht nach Qatar ins Museum für Islamische Kunst oder nach Tokyo ins National Museum? 151 Museen in 40 Ländern stehen auf der Online-Plattform des Google Art Projects rund um die Uhr zur Auswahl. Kostenlos und nur einen Mausklick entfernt.

Per Street View auf Entdeckungstour durch die internationale Museumslandschaft. Photo: Google










Was vor gut einem Jahr mit 1000 Kunstwerken begann, ist inzwischen auf über 30.000 Objekte angewachsen, die alle in hoher Auflösung auf der Website präsentiert werden. Besondere Kunstwerke wurden sogar mittels Giga Pixel in sieben Milliarden Pixel aufgelöst. In die kann man sich rein zoomen und jeden Pinselstrich, jeden noch so kleinen Riss genau ansehen. Ob man ein altes Gemälde wirklich so detailliert betrachten will, ist eine andere Frage. Tatsache bleibt, online ist erlaubt, was vor Ort für Aufregung sorgen würde. 
Rund ein Drittel der teilnehmenden Museen lassen sich per Street View-Technik erforschen. Online durch die Räume schlendern, bei einem Werk verweilen, drauf klicken und sich die Informationen dazu anzeigen lassen. Für seine Lieblingsarbeiten kann man sich eine eigene Sammlung anlegen unter Meine Galerien und sie mit anderen teilen. Dazu muss man sich jedoch anmelden, während das Bummeln und Schauen auch so erlaubt ist. Für alle, die es genau wissen wollen, empfiehlt sich das Einführungsvideo (mit einer Dauer von mehr als zwei Minuten etwas langatmig, aber optisch gut gemacht) auf Youtube.
Mal abgesehen von den technischen Möglichkeiten, wie findet man nun seine Lieblingswerke oder das Wunschmuseum? Eigentlich ganz einfach: Entweder über den Button Sammlungen oder über den Namen des Künstlers, beides oben links auf der Startseite. Aber das mit dem Namen hat seine Tücken, denn alle Künstler sind nach ihren Vornamen alphabetisiert. Etwas unpraktisch, aber bei Zweifel hilft der Suchmaschinengigant auch hier weiter.

Nach Zeitgenossen muss man beim Google Art Project richtig suchen. Selbst der Meister der Selbstvermarktung, Damien Hirst, ist nur mit zwei Arbeiten vertreten. Jeff Koons ebenfalls. Und wer sich auf die Sammlung der Tate Modern freut, wird ebenfalls enttäuscht – 0 Arbeiten/0 Künstler. Woran das wohl liegen mag? Möglicherweise daran, dass Bilder von noch lebenden Künstlern ohne deren Freigabe nicht gezeigt werden dürfen. Das gilt auch für Werke von Künstlern, die noch keine 70 Jahre tot sind. Und davon gibt es eine Menge. Obwohl das Google Art Project nicht alles zeigen darf, befriedigt es dennoch die Neugierde. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Rundgang durchs Weiße Haus? So lässt sich auch einem verregneten Sonntag etwas abgewinnen.

www.googleartproject.com

Samstag, 7. April 2012

Und wo ist die echte Cindy?

Heute die intellektuelle Brillenschlange, morgen der extrovertierte Vamp, übermorgen das schüchterne Mädchen von nebenan und jedes Mal unerkannt bleiben – das wäre ein Spaß, den sicher so manch einer von uns gerne leben würde. Cindy Sherman tut es. Sie ist auf fast all ihren Arbeiten zu sehen und auch wieder nicht. Eine Meisterin der Verwandlung, die zu den wichtigsten Künstlerinnen unserer Zeit gehört.

Fünf Mal Cindy Sherman – im Großformat begrüßt die Künstlerin ihre Besucher im New Yorker MoMA.























Wow entfährt es einem, wenn man im sechsten Stock des MoMA angekommen ist und von dem Sherman-Wallpaper empfangen wird. Gut, in Amerika hat alles andere Dimensionen, das gilt natürlich auch für die Kunst. Aber der erste Eindruck bleibt, wenn auch nicht in dieser Größenordnung. 171 ihrer wichtigsten Arbeiten vereint in einer Ausstellung und jede zeigt die Künstlerin. Offensichtlich zu erkennen, gibt sie sich auf keiner Einzigen. Warum sollte sie, schließlich liebt sie die Inszenierung, die Verkleidung, das Rollenspiel und genau das ist nach über drei Jahrzehnten noch immer Cindy Shermans Markenzeichen. Ein anderes ist, dass sie in ihrem Studio bis heute alles alleine macht: Make-up, Kostüme, Requisite, Licht und Fotografie. Hat sie sich erst einmal für ein Foto verwandelt, geht sie so auch gerne aus. Das hört man immer wieder. Vielleicht ein Gerücht, aber zu zutrauen wäre es ihr. Kein Wunder, dass man sich in der Ausstellung unweigerlich fragt: Und wo ist die echte Cindy? Wo steckt das Original?

Maskerade à la Cindy Sherman – weibliche Rollenbilder sind das Hauptthema ihrer Arbeiten.







Beim Betrachten der Fotos läuft das Kopfkino auf Hochtouren: Merkwürdig angezogene Frau, sie hat sich eigens hübsch gemacht, Schmuck angelegt, wird vermutlich endlich einmal wieder von ihrem Mann ausgeführt ... Sucht man nach einer Erklärung, einer Bestätigung der eigenen Geschichten, erhält man keine. Shermans Arbeiten sind alle untitled. Also lasst eurer Fantasie freien Lauf, genießt den Freiraum und die vielen Verwandlungsideen der Künstlerin. 
Die Sherman Retrospektive im New Yorker MoMA läuft noch bis 11. Juni 2012. Danach geht sie auf Tour mit Stationen in San Francisco, Minneapolis und Dallas.


Eröffnung in Wien – die echte Cindy!
Ein Tipp für alle, die es nicht über den großen Teich schaffen: Shermans Frühwerk ist noch bis 16. Mai 2012 in Wien zu sehen. Die Ausstellung That's me – That's not me. Frühe Werke von Cindy Sherman, Vertikale Galerie/Sammlung Verbund, zeigt Arbeiten aus den Jahren 1975 bis 1977. Da war die Künstlerin gerade mal Anfang zwanzig, studierte am State University College in Buffalo und begann ihre Lust am sich selbst Verwandeln auf Fotos festzuhalten. Vermutlich sieht man hier mehr vom Original. Ich weiß es nicht, aber es wäre auf jeden Fall ein Grund die Wiener Ausstellung zu besuchen.



Bildnachweise/Photocredits: 
Oben: Untitled 2010, Pigment print on PhotoTex adhesive fabric, dimensions variable. Courtesy the artist and Metro Pictures, 
New York 
Mitte von links: Untitled #458, 2007-08, Chromogenic color print (196,5x148 cm), Glenstone; Untitled Film Still #6, 1977, Gelatine silver print (24x16,5 cm), The Museum of Modern Art New York; Untitled #359, 2000, Chromogenic color print (76,2x50,8 cm), Collection Metro Pictures, New York; Untitled #474, 2008, Chromogenic color print (231,1x153 cm), The Museum of Modern Art, 
New York.
Unten; Cindy Sherman, Vertikale Galerie in der Verbund Zentrale, © Christian Redtenbacher / Verbund

Donnerstag, 1. März 2012

Sind wir nicht alle ein bisschen Bluna...


George Condo 
... und ein bisschen schräg? Dann ist doch George Condo genau der Richtige für uns. Er malt, was ihm in den Sinn kommt. Nicht aus dem echten Leben, sondern aus der Fantasie heraus. Das Ergebnis sind witzige, freche, provokante und teilweise echt verrückte Arbeiten. Wer sich auf George Condo einlässt, seinen Humor verstehen will, dem zaubert er ein Lächeln ins Gesicht. Kritischen Stimmen mag er etwas zu kommerziell sein. Man munkelt, er malt so viel, um seinen anspruchsvollen Lebensstil zu finanzieren. Der Qualität scheint dies nicht zu schaden. Einige seiner Arbeiten findet man auch im MoMA und Sammler sind bereit 6-stellige Beträge für so manches Porträt hinzublättern.

Die umfassende Ausstellung (70 Gemälde, 10 Skulpturen) des fast 55-jährigen Amerikaners ist nach New York, Rotterdam und London jetzt in der Schirn Kunsthalle Frankfurt angekommen. Ich könnte euch an dieser Stelle eine Menge über den kunsthistorischen Background, der in den Arbeiten Condos steckt, die Anlehnungen an große Maler (von Velázquez bis Picasso) erzählen, aber darüber informiert ihr euch sowieso, wenn ihr sein Werk erst gesehen habt. Mir jedenfalls hat diese Retrospektive im New Museum vor gut einem Jahr einen grauen, kalten Wintertag in New York City zum Highlight gemacht. Und das ist schon was, oder? Bis zum 28. Mai habt ihr noch Zeit – George Condo. Mental States – zu sehen.

Wow – eine bunte Mischung von Condos Porträtarbeiten an einer Wand – das hat Power!
Alle Bilder auf dieser Seite: Copyright Schirn Kunsthalle Frankfurt, Fotos: Norbert Miguletz


Donnerstag, 23. Februar 2012

Kunst und Kunden per Klick

Beim zweiten Anlauf hat alles geklappt, zumindest aus technischer Sicht. Als die Online-Kunstmesse VIP Art Fair 2.0 am 8. Februar um Mitternacht ihre „Tore“ schloss, zeigten sich die Veranstalter zufrieden. Immerhin konnten sie für den 7-tägigen Event rund 73.000 registrierte Besucher vorweisen und feiern sich jetzt als „the leading online platform for contemporary art“. Doch was hat die virtuelle Messe den Protagonisten gebracht?

Gesehen bei Eigen + Art:
Skulptur von Neo Rauch.
Courtesy Galerie EIGEN + 
ART Leipzig/Berlin 
Photo: Uwe Walter, Berlin 
Aus Sicht des kunstinteressierten Publikums – Kunst frei Haus. Mit 1.500 gezeigten Arbeiten von 1.100 Künstlern war für jeden Geschmack und Geldbeutel etwas dabei. Ohne Kosten gemütlich vom Sofa aus anschauen, reservieren, chatten und shoppen. Das geht bei echten Messen natürlich auch, aber da kommen Anfahrt, Hotel und Eintrittsgelder dazu. Spielt Geld keine Rolle, bleibt immer noch der Zeitaufwand. Der Online-Nachteil: Hat man sich erst einmal mit seinem Namen und seiner E-Mail-Adresse registriert, hinterlässt man Spuren. Und zwar überall dort, wo man eine Arbeit angeklickt hat. Früher oder später befinden sich dann entsprechende Angebote im E-Mail-Postfach. Das mag dem einen oder anderen egal sein, irgendwie beobachtet fühlt man sich dennoch. „Schließlich will man ja nicht gleich alles kaufen, was Interesse weckt“, erzählt eine neugierige Messebesucherin, die während der VIP Art Fair bereits Post erhielt. Einfach mal unbehelligt über die Messe bummeln, ist online nicht drin.

Gesehen bei Thomas Modern:
Hope von Robert Indiana
Copyright VG Bild-Kunst Bonn, 2011,
Galerie Thomas Modern
Aus Sicht der Aussteller – neue weltweite Kontakte und im besten Fall Umsätze. Die Spannung unter den Messeteilnehmern war groß, die Erwartungen möglicherweise auch. Laut Angaben der Veranstalter brachte es die Website auf 150.000 Visits aus 155 Ländern. Demnach war jeder registrierte Besucher im Durchschnitt wenigstens zweimal auf der Messe. Gute Besucherzahlen bestätigt auch Eigen + Art: „Wir konnten viele Interessenten sowie gute und neue Kontakte auf unserem Stand verzeichnen und haben sehr konkrete Nachfragen zu einzelnen Arbeiten“. Hier lobt man vor allem das Raumangebot im Vergleich zu anderen Messen, das die Möglichkeit bot alle Künstler der Galerie zu präsentieren. Bei Johann König zeigt man sich zwar ganz zufrieden mit der Messeteilnahme (eine Installation von Michael Sailstorfer wurde noch während der Messe verkauft), hat aber den Eindruck, dass „deutlich weniger potentielle Sammler unterwegs waren“. Auch die neuen Kontakte und direkten Interaktionen seien bei dieser Ausgabe der VIP Art Fair geringer. Ähnlich erging es Thomas Modern: „Neue Kontakte gibt es, aber die Chatfunktion wurde eher selten genutzt.“ Einer der Nachteile: Ist ein Interessent da und macht sich nicht bemerkbar (via Chat oder E-Mail), kann man ihn auch nicht direkt ansprechen.

Vielleicht müssen wir alle umdenken – die Macher, die Teilnehmer sowie die Besucher. Und uns in der virtuellen Welt vom klassischen Messekonzept verabschieden, wenn eine Online-Messe langfristig alle glücklich machen soll. Letztendlich schaffte es eine Art Basel (und die gehört in der Tat zu den führenden Kunstmessen weltweit) im letzten Jahr an nur fünf Messetagen 65.000 Besucher aus der ganzen Welt vom Sofa zu locken.

Fortsetzung folgt:
VIP Paper vom 19. bis 21. April
VIP Photo vom 12. bis 14. Juli
VIP Vernissage vom 20. bis 22. September 



Donnerstag, 2. Februar 2012

Zeitgenossen online shoppen


Am 3. Februar geht’s los. Und zwar nicht in Basel, London, New York oder Miami, sondern im Internet. Wo? Während der zweiten Auflage der Online-Messe VIP Art Fair – VIP 2.0 International Contemporary Art Fair. Nachdem der erste Versuch im Januar 2011 an Serverproblemen scheiterte – und zwar wegen zu hohem Besucheransturm!!! –, soll dieses Mal alles besser werden. 

Zahlreiche Galerien haben sich von einer erneuten Teilnahme überzeugen lassen. Die Ausstellerliste weist internationale Top-Galerien auf wie David Zwirner, Larry Gagosian – der selbstverständlich auch Dot-Paintings von Damien Hirst zeigen wird und damit seiner Ausstellungslinie der letzten Wochen treu bleibt –, Iwan Wirth oder Jay Jopling. Die gehören übrigens alle vier zu den Gründungsmitgliedern der Messe. Aber auch die deutsche Teilnahme kann sich sehen lassen, u.a. mit Eigen + Art, Thomas Schulte und Thomas Modern. Insgesamt listet die Website 135 Aussteller aus der ganzen Welt auf. Gezeigt werden alle Preisklassen, auch die obersten, wie zum Beispiel eine Arbeit des belgischen Künstlers Luc Tuymans, die mit über einer Million US-Dollar veranschlagt ist, bei David Zwirner, New York.

Virtueller Messestand. Photo: Courtesy of VIP Art Fair, New York.

Aufgebaut ist die virtuelle Veranstaltung wie eine echte Messe: Jeder Aussteller hat seinen Stand, in dem auf einer weißen Fläche die Arbeiten „hängen“. Die Besucher können sich iPad-mäßig durch die Werke „wischen“, so lange verweilen wie sie Lust haben, Informationen zu interessanten Arbeiten downloaden und dazu jederzeit wieder vorbei schauen, auch nach Mitternacht. Das Internet macht's möglich: Öffnungszeiten gehören der Vergangenheit an. Menschenmassen, die sich durch die Gänge zwischen den Ständen schieben ebenfalls. Denn die VIP Art Fair bietet, was sonst nur hochkarätigen Sammlern vorbehalten ist – „private viewing“. Das versteckt sich (für alle, die schon darüber gerätselt haben) auch hinter dem Kürzel VIP, das bedeutet nämlich „viewing in private“ und hat nichts mit den sehr wichtigen Personen zu tun. 
Trotzdem, für einen echten Messe-Fan fehlt doch die Atmosphäre, die Faszination einer großformatigen Arbeit an der Wand oder das Betrachten einer riesigen Skulptur, der Austausch mit Gleichgesinnten vor Ort, die vielen interessanten, unterschiedlichen Menschen … Es gibt doch kaum etwas Spannenderes als auf einer Art Basel oder einer Armory Show in New York, mitten im Trubel innezuhalten, tief Luft zu holen und alles einfach auf sich wirken zu lassen, oder? Aber möglicherweise hat eine Online-Messe ganz andere Qualitäten, die man jetzt noch gar nicht zu schätzen weiß. Also am besten mal reinklicken und sich selbst ein Urteil bilden. Nach dem 8. Februar, wenn die Online-Messe vorbei ist, wissen wir alle mehr. Ich halte euch hier auf dem Laufenden.
Registrieren kann sich übrigens jeder und zwar kostenlos. Wer sich allerdings direkt im Chat mit den Galerien oder anderen Messebesuchern austauschen will, benötigt entweder einen „elite pass“ oder muss 50 US-Dollar bezahlen. Allen anderen bleibt immerhin die Möglichkeit per E-Mail, Facebook oder Twitter zu kommunizieren.