Sonntag, 7. Juni 2015

Wer ist Samson Young, den BMW und Art Basel auf Weltreise schicken?

Samson Young auf der
Art Basel Hong Kong
Er ist ambitioniert, begeistert von seinem Werk und wird nicht müde es immer wieder aufs Neue zu erläutern, so jedenfalls erlebte ich Samson Young auf der Art Basel Hong Kong. Während der Messe musste er eine erklärende Performance wegen zu großen Besucherandrangs abbrechen. Schade, denn es war nicht gerade leicht nachzuvollziehen, was der Künstler aus Hong Kong da präsentierte: Notenblätter, Grafiken, Klangkompositionen und gezeichnete Landkarten, die offenbar kriegerische Auseinandersetzungen dokumentieren – „Pastoral Music“ à la Samson Young. 

Der 36-Jährige hat dafür die Ergebnisse seiner Forschungen zur Beteiligung Hong Kongs am Zweiten Weltkrieg und zur Rolle des Künstlers während des Krieges miteinander verknüpft. Das klingt nach einer ungewöhnlichen Idee von einem, der Genderstudies, Musik und Philosophie studierte, einen Doktortitel für Musikkompositionen erhielt, außerdem ein Faible für Historisches und Militärtechnologien hat. Das Resultat konnten sich die Besucher auf dem Messestand im jungen Sektor Discoveries ansehen. Wer eine, der schon fast lyrisch anmutenden Arbeiten kaufte (ab 4.800 US-Dollar), bekam bei einigen eine Landkarte und einen Soundtrack noch dazu. 




Samson Young ist kein Neuling in der Kunstbranche. Das dokumentieren internationale Einzel- und Gruppenausstellungen sowie mehrere Auszeichnungen. Jetzt konnte er auch die Jury der ersten BMW Art Journey überzeugen. Wem die Stunde schlägt: Eine Reise durch die Klanggeschichte von Konflikten, heißt das Projekt, für das der Künstler auf Weltreise gehen darf. Der Preis ermöglicht es ihm fünf Kontinente zu besuchen und sich mit dem Konfliktpotenzial von Glocken auseinanderzusetzen. Glocken und Kanonen bestehen nun mal aus dem gleichen Material. Er wird das Läuten von historisch relevanten Glocken aufnehmen, Glockenklang-Skizzen erstellen und neue Bronzeglocken sowie eine musikalische Komposition für Glocken und Orchester erschaffen. Wow! Und wir alle können bei seinen Recherchen in diesem Sommer live dabei sein. Einfach anmelden. 

Die 
BMW Art Journey ist eine neue Initiative von BMW und Art Basel, die aufstrebende Künstler weltweit unterstützen soll. Künstler, die während der Art Basel in Hong Kong oder Miami Beach in den jungen Sektoren ausstellen, können sich bewerben. International anerkannte Experten wählen schließlich jeweils drei Künstler aus, die noch während der Messen bekannt gegeben werden und die dann ihre Vorschläge für ihre Recherchereise einreichen dürfen. Die nächste Nominierung findet im Dezember 2015 statt.




Bildnachweis/Photocredit:
Oben: Jutta Kautny;
Unten: BMW Group, 
Kodiak Rifle (2015), Tinte, Aquarellfarbe und Modellierpaste auf Papier (5/2015) 

Samstag, 25. April 2015

Björk gibt sich im MoMA die Ehre


Was fällt euch spontan zu Björk ein? Innovative Videos, ausgefallene Rhythmen, exotisches Auftreten ... so die Antworten aus meinem Freundeskreis. Bekannt war sie jedem, wenn auch nicht jeder zu ihren Fans zählte. Über eine Ausstellung im New Yorker MoMA wunderten sich jedoch alle: Wie hängt man Musik an die Wand? Das hat sich die isländische Popikone wohl selbst gefragt und sich über zehn Jahre Zeit gelassen, bis sie einer „Mid-Career-Retrospective“ zustimmte.

Und was gibt's zu sehen? Wer an Standbilder aus ihren Videos denkt, liegt nicht ganz falsch. In „Songlines“ werden die Besucher, ausgestattet mit einem Audioguide, durch einen engen Parcours mit chronologisch aufgereihten „Arbeiten“ geführt. Das Gezeigte reicht von Kleidung an Björk-Puppen über nachgestellte Settings bekannter Videos bis hin zu handschriftlichen Aufzeichnungen, Kinder-Fotos und Skizzen. Je nachdem vor welchem Stück man gerade steht, ertönt aus dem Kopfhörer entweder der passende Björk-Song oder eine Stimme erzählt dazu eine Geschichte, die an Björks-Biografie angelehnt sein soll. Eine Etage tiefer das Highlight – „Black Lake“ – ein 3D-Video eigens für die Ausstellung und für das MoMA produziert. Der Sound ist einwandfrei, der Inhalt traurig: Björk lebt ihren Trennungsschmerz aus, verursacht durch die Scheidung von US-Künstler Matthew Barney. Ihr Leid bekommt man auf zwei großen Leinwänden überdimensional präsentiert. Immerhin hat sich Björk für ein Happy End entschieden und zeigt den Zuschauern auch ihre „Heilung“, in dem sie durch saftig-grüne Landschaften läuft (zuvor spielt sich alles in einer dunklen Lava-Höhle ab). Das Ganze dauert 11 Minuten. Unbedingt bis zum Schluss durchhalten, sonst bleibt eine völlig deprimierte Björk in Erinnerung.










Kritiker haben die Ausstellung zerfetzt: Wo bleibt der intellektuelle Anspruch, die Herausforderung an den Besucher, die Erklärung, der Kontext ... Konservative stellten sogar Initiator und Kurator Klaus Biesenbach, Director of MoMA PS1 und Chief Curator at Large des Museum of Modern Art, komplett infrage. Ich bin nun wirklich kein Björk-Fan, habe keinen ihrer Songs auf meiner Playlist, kann mit dem Elfenhaften nichts anfangen und trotzdem ist das Werk der fast 50-Jährigen für mich etwas besonderes, das eine Ausstellung verdient hat. Ob das unbedingt im doch ansonsten weitläufigen MoMA auf engstem Raum sein muss, ist eine andere Frage, die sich garantiert viele nach dem Besuch stellen. Bleibt zu hoffen, dass man in der isländischen Hauptstadt Rejkjavik, deren Bürgermeister ernsthaftes Interesse an der Ausstellung signalisiert hat (so konnte man auf artnet lesen), seinen Besuchern mehr Platz gönnt. 

Wenn ihr Björks „Mid-Career-Retrospective“ sehen wollt, sichert euch einen Termin für „Songlines“ und bringt Zeit fürs Anstehen mit. Lohnt es sich? Für Fans und Neugierige auf jeden Fall. Noch bis 7. Juni im MoMA.




Bildnachweis/Photocredit:
Oben: Biophilia Dress (2011)
Mitte v.l.n.r.: Airmail Jacket (1995/2015); 
Wanderlust (2007); Crystal Mask (2003/2015); Body Sculpture (2007)
Photos: Jutta Kautny

Sonntag, 25. Januar 2015

Rothko, Newman, Twombly, Flavin ... das Erbe der de Menils in Houston, Texas

Ich kenne die Menil Collection drüben in Montrose ..., unterbrach mich der Taxifahrer, als ich ihm auch noch die Adresse nennen wollte. ... die kennt hier jeder, denen gehört fast der ganze Stadtteil. Eine der größten privaten Kunstsammlungen der Welt braucht schließlich Platz, dachte ich mir und ersparte mir die Diskussion mit einem Texaner, der nur zögerlich zugab, dass Einwanderer wie die de Menils seiner Heimatstadt ein beeindruckendes Erbe hinterlassen haben.  



Schon von Weitem leuchtet durch den verglasten Eingangsbereich der Menil Collection eine farbenfrohe Arbeit von Frank Stella. Hinter dem Gebäude, nur ein paar Gehminuten entfernt, der Cy Twombly Pavilion genauso wie das Museum von Renzo Piano entworfen. Im Gegensatz zum Museum mit seinen dunklen Holzböden wirkt der Pavillon leicht, hell und die frühen Twombly-Arbeiten wie die großformatigen „Blackboards“ aus den 1960er Jahren (für die werden heute zweistellige Millionenbeträge gezahlt) kommen darin wunderbar zur Geltung. Etwas weiter weg, aber immer noch gut zu Fuß erreichbar, die Rothko Chapel, benannt nach den Arbeiten des Künstlers im Innenraum, mit einer etwa acht Meter hohen Stahlskulptur Broken Obelisk von Barnett Newman davor. Gleich in der Nähe befindet sich Richmond Hall (ein ehemaliger Supermarkt), darin eine weitläufige Lichtinstallation von Dan Flavin. Unglaublich was John und Dominique de Menil hier aufgebaut haben und der Öffentlichkeit über ihren Tod hinaus zugänglich machen. Die Künstler-Liste der Sammlung liest sich wie das „Who's who der Kunstszene des 20. Jahrhunderts. Auch die afrikanischen Statuen und Masken sind handverlesen und ihre Präsentation im Museum ist eine Augenweide für sich: Exotische Pflanzen in einem Atrium aus Glas lassen ihre Herkunft spürbar werden. 

Das Lebenswerk des ursprünglich aus Frankreich stammenden Ehepaars ist ein echtes Highlight. Und das befindet sich ausgerechnet im konservativen Houston. Das war zu jener Zeit vermutlich kein leichtes Unterfangen für die beiden leidenschaftlichen Sammler, die dazu noch eine liberale Haltung vertraten. So lehnte es die Stadt in den 1960er Jahren ab Newmans Obelisk als Geschenk anzunehmen, weil er zu Ehren von Dr. Martin Luther King aufgestellt werden sollte. Kein Problem für die de Menils, sie behielten die Skulptur, wählten den heutigen Standort und bauten dazu die Rothko Chapel. Bravo! Umso besser für uns, denn wir müssen bei einem Besuch keine langen Wege zurücklegen. Mehrere Stunden sollte man dennoch einplanen, es lohnt sich. Bei allen Einrichtungen des Areals ist der Eintritt frei.





Bildnachweis/Photocredit: Jutta Kautny