Sonntag, 27. Juli 2014

14 Rooms – Erlebnisräume während der Art Basel 2014

Passend: verspiegelte Wegweiser
Eigentlich ganz einfach: Man finde eine geeignete Halle, baue 14 Räume hinein, lade 14 renommierte Künstler ein, wähle einen geeigneten Termin und alles wird von Erfolg gekrönt sein. Hört sich unaufgeregt an, ist aber ein genialer Einfall und alles andere als langweilig. 

„Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einem Hochhaus und benutzen den Fahrstuhl. Die Türen schließen sich. Der Fahrstuhl fährt in den nächsten Stock, die Türen öffnen sich und jemand steigt ein. Diese Person ist nackt. Die Fahrstuhltüren schließen sich wieder. Sie sind für einige Minuten mit dieser nackten Person alleine“, was Klaus Biesenbach, Kurator der 14 Rooms, im Ausstellungskatalog so anschaulich beschreibt, erwartete den Besucher in jedem der 14 Räume: eine neue Situation, eine andere Stimmung, eine sich wechselnde Gefühlslage. Mal steht der Besucher in einem vollständig abgedunkelten Zimmer, muss sich berühren lassen und soll berühren (Touch von Yoko Ono), mal versperrt ihm eine Gruppe von Tänzern, die eine Reihe quer durch den Raum bildet, den Weg nach draußen (Revolving Door von Allora & Calzadilla), mal lauscht er irritiert dem Dialog zweier Interpreten (This is Competition von Tino Sehgal), mal findet er sich mitten in einem Tauschhandel wieder (Swap von Roman Ondák), ... und immer ist er mittendrin, immer hat er die Wahl – die Türe öffnen oder nicht. Eine Reihenfolge gab es in der ältesten noch erhaltenen Baseler Messehalle nicht. Jede der 14 Türen war verspiegelt (beim Öffnen konnte man sich dadurch auch noch selbst beobachten), jeder Raum 5 x 5 Meter groß mit einer Deckenhöhe von 3,50 Metern. Live-Performance für kleine Gruppen.

Eine Ausstellungsreihe, die als Auftragsarbeit 2011 in Manchester während des Manchester International Festivals mit 11 Rooms begann. Ein Jahr später im Essener Folkwang Museum hieß sie bereits 12 Rooms und in Sydney 2013 konsequenterweise 13 Rooms. Die Räumlichkeiten sind immer wieder anders, was bleibt, ist das Konzept, erdacht von Klaus Biesenbach, Director of MoMA PS1 und Chief Curator at Large des Museum of Modern Art, New York und Hans Ulrich Obrist, Co-Director of Exhibitions and Programmes und Director of International Projects der Serpentine Gallery, London. Die Baseler Ausstellung 14 Rooms haben beide gemeinsam kuratiert. Unterstützt wurde das Projekt von der Art Basel, der Fondation Beyeler und dem Theater Basel

Das Besondere an diesem Konzept, abgesehen von der Kunst, ist die Möglichkeit, es zu wiederholen, ohne zu wiederholen. Für uns bedeutet das, wer 14 Rooms besucht hat, darf jetzt schon auf 15 Rooms gespannt sein (wo und wann ist noch nicht bekannt), und wer die Ausstellung in Basel verpasst hat sowieso. 



Bildnachweis/Photocredit: Jutta Kautny

Samstag, 12. Juli 2014

Marina Abramovic goes Adidas – Adidas goes Marina Abramovic


Während die Grandmother of Performance Art (so hat sie sich selbst einmal bezeichnet) in der Londoner Serpentine Gallery ihre Dauer-Performance 512 Hours präsentiert, sorgt ihre Kooperation mit Adidas für Aufregung. Kunst als Werbespot – ein Unding?

Marina hat sich getraut und Adidas sowieso. Sie haben gemeinsam eine Performance von 1978 als Werbespot neu aufgelegt, die das WM-Motto des Sportartikelherstellers all in or nothing visualisiert. Obwohl das Video toll gemacht ist – in schwarz-weiß gedreht, mit sphärischen Klängen untermalt, gekrönt von der ausgefallenen Stimme der serbischen Künstlerin – und sich Work Relation 2014“ nennt, ist es dennoch Werbung für Turnschuhe. Alle Protagonisten tragen Sneakers von Adidas und die sind genauso wenig zu übersehen wie das Logo des Marina Abramovic Instituts (MAI).

Für mich ein typischer Abramovic. Wer bereits in seinen Anfängen die Grenzen der Kunst und die des eigenen Körpers ausreizte, sein Publikum durch Selbstgeißelungen schockierte und die Beziehungen zwischen Performer und Zuschauer auslotete, warum sollte derjenige ausgerechnet jetzt aufhören zu polarisieren. Wenn auch heutzutage nicht mehr so extrem, dafür umso populärer. Am besten ihr bildet eure eigene Meinung und schaut euch das Video selbst an.

Mein Tipp für all jene, die die 67-Jährige live erleben wollen: Bis 25. August ist sie noch in der Serpentine Gallery, London, mit ihrer Performance 512 Hours. Der Eintritt ist frei.



Bildnachweis/Photocredit: 
Marina in front of a window, color photo, natural look – Marina Abramovic Photograph and Copyright by Marco Anelli, Brazil, 2013

Samstag, 14. Juni 2014

Whitney Biennale 2014 – eine Frage, drei Antworten

Was ist US-Gegenwartskunst heute? Diese Frage beschäftigt die Macher der Whitney Biennale seit ihrer Gründung 1932. Und sie tat es auch dieses Mal. Drei Kuratoren wurden engagiert, um den Pulsschlag der amerikanischen Kunst zu erfühlen und in die Räume des New Yorker Whitney Museums zu bringen: Michelle Grabner, Professorin am Art Institute of Chicago, Stuart Comer, der von der Tate London ins MoMA wechselte, um dort die Abteilung Medien- und Performancekunst zu leiten, und Anthony Elms vom Institute of Contemporary Art in Philadelphia. Sie arbeiteten völlig unabhängig voneinander. Jeder bekam eine eigene Etage. Das ist neu in der langjährigen Geschichte der Whitney Biennale und brachte den Veranstaltern schon im Vorfeld Kritik ein: Wie soll das zusammengehen, wo bleibt da der rote Faden? Geklappt hat es dennoch. Sehenswert waren die Arbeiten der 103 ausgewählten Künstler ebenfalls. Die 77. Ausgabe der Whitney Biennale, die zum letzten Mal an der Madison Avenue stattfand und am 25. Mai ihre Pforten schloss, bot ein breites Spektrum. Und wer nicht auf der Suche nach der einen Antwort war, fand bei einem Besuch viele unterschiedliche Antworten. Hier eine kleine Auswahl:

Geschnitzte Bleistifte: eine meditative
Nebenbeschäftigung des holländischen
Künstlers Peter Schuyff 
Theme Time Drawings nennt der gebürtige New Yorker
Karl Haendel seine Arbeiten in Anlehnung an die Radioshow
Theme Time Radio Hour von Bob Dylan 
Politische, aber auch poetische Botschaften eingestrickt
und charmant verpackt von Lisa Anne Auerbach
Hawaiian Presence – ein Hut für drei: Verspielte Grüße aus Hawaii
präsentierte der Japaner Ei Arakawa
Skurriles von Carol Jackson: BLEHH
– ein dekorativer Rahmen ohne Inhalt 

Das Whitney Museum of American Art zieht im Frühjahr 2015 nach Downtown Manhattan in die Nähe der High Line und tauscht Betonbunker gegen Glaspalast (bin einfach kein Fan des derzeitigen Gebäudes, auch wenn es von Marcel Breuer stammt). Lassen wir uns von den neuen Räumlichkeiten überraschen und von der nächsten Whitney Biennale in zwei Jahren ebenfalls.

Bildnachweise/Photocredits: Jutta Kautny

Sonntag, 25. Mai 2014

„Christoph is upstairs“ – Schlingensief im MoMA PS1

Der Mitarbeiter des New Yorker PS1 interpretierte meinen fragenden Blick und erklärte mit einer entsprechenden Handbewegung: „Christoph ist oben.“ Ein „Tatsächlich?“ rutschte mir spontan über die Lippen. Er zuckte die Schultern, vermutlich mangels Deutschkenntnisse, und ich stieg mit einem Grinsen die Treppen hinauf in den zweiten Stock. Da empfing er mich auf einem Foto von der Aktion „Passion Impossible – 7 Tage Notruf für Deutschland“. Und die Reise in eine deutsch-politisch-kulturelle Vergangenheit begann.


Könnt ihr euch noch an die Schlingensief-Aktion auf der documenta 10 (1997) in Kassel erinnern? „Mein Filz, mein Fett, mein Hase“ hieß die Performance, die Zuschauer zum Mitmachen animierte: Deutschland als gigantisches Theaterstück mit Bundeskanzler Helmut Kohl als Direktor. Oder an „Talk 2000“ mit Schlingensief als Talkmaster im deutschen Fernsehen? Er lud damals Promis wie Beate Uhse, Hildegard Knef oder Harald Schmidt in seine Talkshow ein und konfrontierte sie mit seinen persönlichen Problemen, nahm einfach ein Nickerchen, wurde aggressiv und handgreiflich. Schlingensiefs Werke aus allen Phasen seines Schaffens bis hin zum noch nicht vollendeten Operndorf im westafrikanischen Burkina Faso sind in der Ausstellung dokumentiert.

Das alles wieder zu sehen, sich zu erinnern und mit zeitlichem Abstand auf amerikanischem Boden Revue passieren zu lassen – ist eine Chance, die ich mir nicht entgehen lassen wollte. Und ja, Klaus Biesenbach, Leiter des PS1 und Weggefährte von Schlingensief, hatte recht, als er bei der Eröffnung der Ausstellung sagte: „Es gibt keinen lebenden Künstler, der mit ihm vergleichbar wäre.“ Schlingensief starb am 21. August 2010, gut zwei Monate vor seinem 50. Geburtstag. Dies ist seine erste Solo-Schau in den USA. Zu sehen noch bis 31. August im PS1, eine Außenstelle des Museum of Modern Art in Queens.

Ein Besuch des PS1, das zu den renommiertesten Museen für zeitgenössische Kunst zählt, lohnt sich allemal, und zwar nicht ausschließlich der Kunst wegen: Untergebracht in einem ehemaligen Schulgebäude (aus jener Zeit stammt auch die Abkürzung PS1, die steht nämlich für Primary School One), erwartet euch hier kein architektonisches Meisterwerk, sondern ein Backsteingebäude mit alten Holzböden und einer ganz eigenen, lebendigen Atmosphäre.


Bildnachweis/Photocredit: 
Christoph Schlingensief. Passion Impossible: 7 Days of Emergency Call for Germany. 1997. 
Film still. Copyright Alexander Grasseck, Stefan Corinth (Ahoimedia)

Donnerstag, 27. Februar 2014

„Fräulein“ Judd

Rainer? Ungewöhnlicher Vorname für eine Frau? Judd? Hat das was mit dem Künstler zu tun? Aber der heißt Donald und ziert vermutlich eher einen Monopol-Titel als den einer Frauenzeitschrift. Obwohl das ist Fräulein und die beschäftigen sich durchaus mit Kunst ...


Das alles schoss mir durch den Kopf, als ich diese Ausgabe im Wartezimmer beim Zahnarzt entdeckte. Die Neugier war geweckt und das Geheimnis bereits beim Umblättern gelüftet: Rainer Judd ist tatsächlich die Tochter des 1994 verstorbenen Künstlers Donald Judd und das Fräulein der Ausgabe 12/2013. In einem mehrseitigen Interview erzählt sie über ihr Leben und das mit dem berühmten Vater in Marfa, Texas, und New York. Zusammen mit ihrem Bruder Flavin betreut Rainer heute die Judd Foundation als Co-Direktorin.
Eine wunderbare Idee der Redaktion und ein gelungenes Beispiel dafür, wie man Kunst auch an die Öffentlichkeit oder besser an die Frau bringen kann. Zur Abrundung und zum besseren Verständnis hätte ich mir noch ein Foto von einem Kunstwerk von Donald Judd gewünscht. Auch, wenn (oder gerade weil) das Thema Fräulein Judd ist.

Im Besitz der Münchner Pinakothek der Moderne:
Donald Judd, untitled (16 unit wall-boxes), 1978
Mein Tipp für alle, die neugierig auf die minimalistischen Werke von Donald Judd geworden sind, in der Münchner Pinakothek der Moderne bekommt ihr einen ersten Eindruck.
Und wer das ehemalige Zuhause der Familie Judd im New Yorker Stadtteil Soho kennenlernen möchte, hat seit Sommer 2013 die Möglichkeit dazu. Muss man leider langfristig planen, denn ohne Anmeldung geht nichts und der Andrang ist enorm. Kein Wunder!






Bildnachweise/Photocredits: Jutta Kautny