Sonntag, 26. Mai 2013

Gotthard Graubner – Meister der „Farbkissen“

Gotthard Graubner bei der Eröffnung der Ausstellung
„Die Sammlung Gunter Sachs“, München, Oktober 2012
Vielleicht habt ihr den Nebelraum im Herbst letzten Jahres in der Münchner Villa Stuck besucht oder schon einmal bei der TV-Übertragung einer Ansprache des Bundespräsidenten in seinem Amtssitz, dem Schloss Bellevue, die riesigen wie farbige Kissen anmutenden Arbeiten an den Wänden im Großen Saal bemerkt? Beides sind Werke des am Freitag (24.5.) verstorbenen deutschen Künstlers Gotthard Graubner. Ich habe leider noch nie eine Ausstellung von ihm besucht, aber seine „Farbkissen“ sind mir häufig begegnet, auch auf Messen von Köln bis Basel, wo die größeren für sechstellige Beträge gehandelt wurden. Kein Wunder, denn sie scheinen eine besondere Aura zu haben. Vielleicht liegt's an dem Volumen, vielleicht aber auch an den einzigartigen Graubnerschen Farbwelten.

Bart, Hut, Anzug mit Weste und eine Taschenuhr an einer langen Kette waren sein Markenzeichen. Inzwischen gehörte auch ein Stock dazu. So sah man ihn noch im April die Art Cologne besuchen. Geboren im Vogtland, entdeckt in Düsseldorf, zweimaliger documenta-Teilnehmer (1968/1977), deutscher Vertreter bei der Biennale in Venedig (1982), Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie von 1976 bis 1992, lebte und arbeitete Gotthard Graubner bis zuletzt in Neuss. Am 13. Juni wäre er 83 Jahre alt geworden.


Bildnachweis/Photocredit: Jutta Kautny




Donnerstag, 23. Mai 2013

Rineke wer? Dijkstra!

Als ich zum ersten Mal von der Ausstellung „The Krazy House“ im Frankfurter MMK Museum für Moderne Kunst las, konnte ich mit dem Namen der Künstlerin nichts anfangen. Rineke Dijkstra geht schließlich nicht gerade leicht über die Lippen, geschweige denn ins Gedächtnis. Dabei gehört die Niederländerin laut Pressemitteilung zu den weltweit bekanntesten Foto- und Videokünstlerinnen unserer Zeit. Und tatsächlich kam mir beim Besuch der Ausstellung die ein oder andere Arbeit bekannt vor. 

Dijkstras Videoinstallationen verwandeln Teile des MMK zu einem Nachtclub mit super Sound. Hier tanzen jedoch nicht die Besucher, sondern Kids auf übergroßen Leinwänden. Ihr Dancefloor ist keiner, denn sie bewegen sich meistens ganz allein vor einer weißen Wand. Anfangs sind sie eher schüchtern, fast verunsichert und man leidet ein wenig mit ihnen. Wer mag schon solo und dazu in so einer sterilen Atmosphäre abtanzen, da kann die Musik noch so gut sein. Aber es passiert: Plötzlich legen sie los, haben offensichtlich Spaß daran sich darzustellen und demonstrieren ein unerwartetes Selbstbewusstsein. Sie sind cool! Die Besucher sitzen im Dunkeln und staunen. Fehlt nur noch ein Drink und die Szenerie wäre perfekt. Entstanden ist die Videoinstallation 2009 im Liverpooler Nachtclub „The Krazyhouse“. Ausgesucht wurden die Kids bei einem nächtlichen Clubbesuch der Künstlerin, gefilmt hat sie die Auserwählten jedoch tagsüber. 

Menschen in „anderen“ Situationen scheint das Thema der 53-Jährigen zu sein, die in Amsterdam lebt und arbeitet. Ob in Videos oder auf Fotos die Protagonisten erzählen von sich, ohne Worte. Das tut auch die kleine Ruth, die in ihrer Schuluniform auf dem Boden sitzt und äußerst konzentriert ein Picasso-Gemälde abzeichnet (dass es Picasso ist, weiß man übrigens nur, weil die Installation Ruth Drawing Picasso heißt). Minutenlang kann man vor diesem Video sitzen, dem kratzenden Geräusch des Bleistifts lauschen und sie beobachten. Oder die Porträtserie Almerisa, die die Entwicklung des fünfjährigen Flüchtlingsmädchens aus Bosnien bis hin zur jungen Mutter mit 19 Jahren dokumentiert. Allein über diese Aufnahmen könnte man Seiten schreiben, so viel an gesellschaftlicher Entwicklung steckt drin.

Rineke Dijkstra – ein Name, den ich mir jetzt garantiert merken werde. International bekannt sind ihre Arbeiten übrigens auch: Im letzten Jahr zeigte sie das Guggenheim New York und zu ihren Galerievertretern gehören so renommierte Namen wie Marian Goodman, deren Künstlerliste sich liest wie das Who is Who der zeitgenössischen Kunst, und Max Hetzler, der auch Koons, Struth und Förg im Programm hat. 

Das MMK in Frankfurt präsentiert mit „Rineke Dijkstra. The Krazy House“ die bisher umfassendste Ausstellung der Künstlerin in Deutschland, allerdings nur noch bis 26. Mai. Ist zwar nicht mehr viel Zeit, aber dafür, erlässt das MMK am letzten Wochenende den Eintritt. Die Führungen sind ebenfalls kostenfrei. Das ist doch was, oder?


Bildnachweis/Photocredit von oben nach unten:
Die ersten drei: Rineke Dijkstra, The Krazyhouse (Megan, Simon, Nicky, Philip, Dee), Liverpool, UK, 2009, 
Videostill, Copyright Rineke Dijkstra, Courtesy Galerie Max Hetzler, Berlin 
Rineke Dijkstra, Ruth Drawing Picasso, 2009,
Videostill Rineke Dijkstra, Copyright Rineke Dijkstra, Courtesy Galerie Max Hetzler, Berlin
Porträt Rineke Dijkstra, Foto: Gerald van der Kaap

Dienstag, 7. Mai 2013

Im Kosmos der Yoko Ono

Eintreten, ausprobieren und ehe man es sich versieht, ist man mittendrin. Wie die japanische Konzeptkünstlerin das schafft? Durch die Beteiligung der Betrachter – gewollt oder ungewollt. Nicht immer lässt sie den Besuchern eine Wahl. Oder vielleicht doch? Schon der Eingang zur Half-a-Wind Show in der Frankfurter Schirn macht es deutlich: Drehtür oder Perlenvorhang? Beides ist möglich, der Ausgang (bzw. Eingang) ungewiss. Das geht weiter mit Entscheidungen wie Hand rein stecken in die Danger Box oder nicht? Sich in den durchsichtigen Irrgarten wagen oder besser draußen bleiben? Die Konfrontation aufnehmen beim White Chess Set, dessen Schachfiguren alle weiß sind, oder aufgeben? Das ist die humorige Seite Yoko Onos. Ernster wird es zum Beispiel bei der Installation Cricket Memories, ein Mahnmal für die katastrophalen Verluste im Leben. Wer mag, kann eigene Erfahrungen in einem Buch niederschreiben. Ein Appell für ein friedliches Miteinander – auch das ist Yoko Ono.

Die vielen Facetten der Yoko Ono – mal humorvoll, mal politisch, mal feministisch, mal poetisch ... 






























Sie liefert uns Anregungen, fordert uns heraus, will das wir teilhaben, aber letztendlich bleibt es uns selbst überlassen, inwieweit wir einsteigen. Ich bin eingestiegen, habe in diesen drei Stunden einiges hinterfragt, mich aber auch köstlich amüsiert. Wollt ihr eine kluge Frau kennenlernen, mehr über euch selbst und Yoko Ono wissen und dazu eine tolle Ausstellung sehen – dann besucht Half-a-Wind Show. Eine Retrospektive und lasst euch treiben im Kosmos der Yoko Ono. Leider nur noch bis 12. Mai.

Alle, die es nicht mehr rechtzeitig nach Frankfurt schaffen, können sich die von der Schirn konzipierte Ausstellung auch in Dänemark (Louisiana Museum of Modern Art, 7. 6. 2013 - 29. 9. 2013), Österreich (Kunsthalle Krems, 20. 10. 2013 - 23. 2. 2014) oder Spanien (Guggenheim Museum Bilbao, 18. 3. 2014 - 17. 9. 2014) ansehen.

Bildnachweis/Photocredit: 
Yoko Ono, Porträt 2013, Copyright Schirn Kunsthalle Frankfurt 2013, Foto: Gaby Gerster 
Imagine, Strawberry Fields New York, März 2013, Foto: Jutta Kautny
Restliche Abbildungen: Half-a-Wind Show, Schirn Kunsthalle Frankfurt, Mai 2013, Fotos: Jutta Kautny