Samstag, 7. April 2012

Und wo ist die echte Cindy?

Heute die intellektuelle Brillenschlange, morgen der extrovertierte Vamp, übermorgen das schüchterne Mädchen von nebenan und jedes Mal unerkannt bleiben – das wäre ein Spaß, den sicher so manch einer von uns gerne leben würde. Cindy Sherman tut es. Sie ist auf fast all ihren Arbeiten zu sehen und auch wieder nicht. Eine Meisterin der Verwandlung, die zu den wichtigsten Künstlerinnen unserer Zeit gehört.

Fünf Mal Cindy Sherman – im Großformat begrüßt die Künstlerin ihre Besucher im New Yorker MoMA.























Wow entfährt es einem, wenn man im sechsten Stock des MoMA angekommen ist und von dem Sherman-Wallpaper empfangen wird. Gut, in Amerika hat alles andere Dimensionen, das gilt natürlich auch für die Kunst. Aber der erste Eindruck bleibt, wenn auch nicht in dieser Größenordnung. 171 ihrer wichtigsten Arbeiten vereint in einer Ausstellung und jede zeigt die Künstlerin. Offensichtlich zu erkennen, gibt sie sich auf keiner Einzigen. Warum sollte sie, schließlich liebt sie die Inszenierung, die Verkleidung, das Rollenspiel und genau das ist nach über drei Jahrzehnten noch immer Cindy Shermans Markenzeichen. Ein anderes ist, dass sie in ihrem Studio bis heute alles alleine macht: Make-up, Kostüme, Requisite, Licht und Fotografie. Hat sie sich erst einmal für ein Foto verwandelt, geht sie so auch gerne aus. Das hört man immer wieder. Vielleicht ein Gerücht, aber zu zutrauen wäre es ihr. Kein Wunder, dass man sich in der Ausstellung unweigerlich fragt: Und wo ist die echte Cindy? Wo steckt das Original?

Maskerade à la Cindy Sherman – weibliche Rollenbilder sind das Hauptthema ihrer Arbeiten.







Beim Betrachten der Fotos läuft das Kopfkino auf Hochtouren: Merkwürdig angezogene Frau, sie hat sich eigens hübsch gemacht, Schmuck angelegt, wird vermutlich endlich einmal wieder von ihrem Mann ausgeführt ... Sucht man nach einer Erklärung, einer Bestätigung der eigenen Geschichten, erhält man keine. Shermans Arbeiten sind alle untitled. Also lasst eurer Fantasie freien Lauf, genießt den Freiraum und die vielen Verwandlungsideen der Künstlerin. 
Die Sherman Retrospektive im New Yorker MoMA läuft noch bis 11. Juni 2012. Danach geht sie auf Tour mit Stationen in San Francisco, Minneapolis und Dallas.


Eröffnung in Wien – die echte Cindy!
Ein Tipp für alle, die es nicht über den großen Teich schaffen: Shermans Frühwerk ist noch bis 16. Mai 2012 in Wien zu sehen. Die Ausstellung That's me – That's not me. Frühe Werke von Cindy Sherman, Vertikale Galerie/Sammlung Verbund, zeigt Arbeiten aus den Jahren 1975 bis 1977. Da war die Künstlerin gerade mal Anfang zwanzig, studierte am State University College in Buffalo und begann ihre Lust am sich selbst Verwandeln auf Fotos festzuhalten. Vermutlich sieht man hier mehr vom Original. Ich weiß es nicht, aber es wäre auf jeden Fall ein Grund die Wiener Ausstellung zu besuchen.



Bildnachweise/Photocredits: 
Oben: Untitled 2010, Pigment print on PhotoTex adhesive fabric, dimensions variable. Courtesy the artist and Metro Pictures, 
New York 
Mitte von links: Untitled #458, 2007-08, Chromogenic color print (196,5x148 cm), Glenstone; Untitled Film Still #6, 1977, Gelatine silver print (24x16,5 cm), The Museum of Modern Art New York; Untitled #359, 2000, Chromogenic color print (76,2x50,8 cm), Collection Metro Pictures, New York; Untitled #474, 2008, Chromogenic color print (231,1x153 cm), The Museum of Modern Art, 
New York.
Unten; Cindy Sherman, Vertikale Galerie in der Verbund Zentrale, © Christian Redtenbacher / Verbund

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