Könnt ihr euch noch an die Schlingensief-Aktion auf der documenta 10 (1997) in Kassel erinnern? „Mein Filz, mein Fett, mein Hase“ hieß die Performance, die Zuschauer zum Mitmachen animierte: Deutschland als gigantisches Theaterstück mit Bundeskanzler Helmut Kohl als Direktor. Oder an „Talk 2000“ mit Schlingensief als Talkmaster im deutschen Fernsehen? Er lud damals Promis wie Beate Uhse, Hildegard Knef oder Harald Schmidt in seine Talkshow ein und konfrontierte sie mit seinen persönlichen Problemen, nahm einfach ein Nickerchen, wurde aggressiv und handgreiflich. Schlingensiefs Werke aus allen Phasen seines Schaffens bis hin zum noch nicht vollendeten Operndorf im westafrikanischen Burkina Faso sind in der Ausstellung dokumentiert.
Das alles wieder zu sehen, sich zu erinnern und mit zeitlichem Abstand auf amerikanischem Boden Revue passieren zu lassen – ist eine Chance, die ich mir nicht entgehen lassen wollte. Und ja, Klaus Biesenbach, Leiter des PS1 und Weggefährte von Schlingensief, hatte recht, als er bei der Eröffnung der Ausstellung sagte: „Es gibt keinen lebenden Künstler, der mit ihm vergleichbar wäre.“ Schlingensief starb am 21. August 2010, gut zwei Monate vor seinem 50. Geburtstag. Dies ist seine erste Solo-Schau in den USA. Zu sehen noch bis 31. August im PS1, eine Außenstelle des Museum of Modern Art in Queens.
Ein Besuch des PS1, das zu den renommiertesten Museen für zeitgenössische Kunst zählt, lohnt sich allemal, und zwar nicht ausschließlich der Kunst wegen: Untergebracht in einem ehemaligen Schulgebäude (aus jener Zeit stammt auch die Abkürzung PS1, die steht nämlich für Primary School One), erwartet euch hier kein architektonisches Meisterwerk, sondern ein Backsteingebäude mit alten Holzböden und einer ganz eigenen, lebendigen Atmosphäre.
Bildnachweis/Photocredit:
Christoph Schlingensief. Passion Impossible: 7 Days of Emergency Call for Germany. 1997.
Film still. Copyright Alexander Grasseck, Stefan Corinth (Ahoimedia)
Film still. Copyright Alexander Grasseck, Stefan Corinth (Ahoimedia)
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