
Und was gibt's zu sehen? Wer an Standbilder aus ihren Videos denkt, liegt nicht ganz
falsch. In „Songlines“ werden die Besucher, ausgestattet mit einem Audioguide,
durch einen engen Parcours mit chronologisch aufgereihten „Arbeiten“ geführt.
Das Gezeigte reicht von Kleidung an Björk-Puppen über nachgestellte Settings
bekannter Videos bis hin zu handschriftlichen Aufzeichnungen, Kinder-Fotos und
Skizzen. Je nachdem vor welchem Stück man gerade steht, ertönt aus dem
Kopfhörer entweder der passende Björk-Song oder eine Stimme erzählt dazu eine Geschichte, die an Björks-Biografie angelehnt sein soll. Eine Etage tiefer das Highlight – „Black Lake“ – ein 3D-Video eigens
für die Ausstellung und für das MoMA produziert. Der Sound ist einwandfrei, der
Inhalt traurig: Björk lebt ihren Trennungsschmerz aus, verursacht durch die
Scheidung von US-Künstler Matthew Barney. Ihr Leid bekommt man auf zwei großen
Leinwänden überdimensional präsentiert. Immerhin hat sich Björk für ein
Happy End entschieden und zeigt den Zuschauern auch ihre „Heilung“, in dem sie durch saftig-grüne Landschaften läuft (zuvor spielt sich alles in einer dunklen
Lava-Höhle ab). Das Ganze dauert 11 Minuten. Unbedingt bis zum Schluss
durchhalten, sonst bleibt eine völlig deprimierte Björk in Erinnerung.
Kritiker haben die Ausstellung zerfetzt: Wo bleibt der intellektuelle Anspruch, die Herausforderung an den
Besucher, die Erklärung, der Kontext ... Konservative stellten sogar Initiator
und Kurator Klaus Biesenbach, Director of MoMA PS1 und Chief Curator at Large des Museum of Modern Art, komplett infrage. Ich bin nun wirklich kein
Björk-Fan, habe keinen ihrer Songs auf meiner Playlist, kann mit dem
Elfenhaften nichts anfangen und trotzdem ist das Werk der fast
50-Jährigen für mich etwas besonderes, das eine Ausstellung verdient
hat. Ob das unbedingt im doch ansonsten weitläufigen MoMA auf engstem Raum sein
muss, ist eine andere Frage, die sich garantiert viele nach dem Besuch
stellen. Bleibt zu hoffen, dass man in der isländischen Hauptstadt Rejkjavik,
deren Bürgermeister ernsthaftes Interesse an der Ausstellung signalisiert hat
(so konnte man auf artnet lesen), seinen Besuchern mehr Platz gönnt.
Wenn ihr Björks „Mid-Career-Retrospective“ sehen wollt, sichert euch einen Termin für „Songlines“ und bringt Zeit fürs Anstehen mit. Lohnt es sich? Für Fans und Neugierige auf jeden Fall. Noch bis 7. Juni im MoMA.
Bildnachweis/Photocredit:
Oben: Biophilia Dress (2011)
Mitte v.l.n.r.: Airmail Jacket (1995/2015); „Wanderlust“ (2007); Crystal Mask (2003/2015); Body Sculpture (2007)
Photos: Jutta Kautny